Scharlatane in der berufl. Weiterbildung

"Der freie Mitarbeiter erklärt mit seiner Unterschrift, dass er bzw. sein Unternehmen nicht nach den Methoden von L. Ron Hubbard arbeitet, dass weder er noch seine Mitarbeiter nach den Methoden von L. Ron Hubbard geschult bzw. keine Kurse und/oder Seminare nach den Methoden von L. Ron Hubbard besuchen, dass er die Methoden von L. Ron Hubbard zur Führung seines Unternehmens (und auch zur Durchführung von Seminaren und Schulungsveranstaltungen) ablehnt und dass er bzw. sein Unternehmen nicht Mitglied der IAS (International Association of Scientologists) oder einer anderen Organisation, welche nach den Methoden von L. Ron Hubbard handelt, ist."

So sah 2007 noch die Ausschlusserklärung in meinen Dozentenverträgen aus. Man fürchtete nicht nur in der Fort- und Weiterbildung Scientology und wappnete sich, zumindest vertragsrechtlich, gegen die Anwendung deren Methoden in Lehrveranstaltungen.
Heute sucht man solche Vertragsbedingungen vergeblich. Was nicht heißt, dass heute Scientology in der Bildung toleriert wird. Aber die ein oder andere Methode aus L. Ron Hubbards "Dianetik" stieß wohl im Zuge allgemeiner Ratlosigkeit auf offene Ohren und fand damit auch ihren Umweg in die Weiterbildung.

Gemeinsam sind den hinter den Methoden steckenden Ideologien, dass sie klassische, historisch gewachsene Strukturen erst einmal verwerfen, ja regelrecht verteufeln. Es fallen Worte wie "Bildungskatastrophe", "Wettbewerbsverlust", "Notstandsplan" und der Weltuntergang wird in düsteren Farben 3D projiziert. Ein Vortragender schreckte selbst davor nicht zurück, seine unglückliche Kinder- und Schulzeit als Beispiel zu benennen.

Wie selbstverständlich bieten dann gerade diese Personen die befreiende Lösung vor der drohenden Katastrophe an. "Neues Bildungsverständnis", "Neue Lehrmethoden", "Neue Rollen für die Beteiligten", gerne auch unterstützt durch "Neue Erkenntnisse aus der Gehirnforschung". Von "Revolution" ist die Rede. Und weil es so schick ist, wird die Digitalisierung gleich mit vereinnahmt. Wir wollen "Hight Performance entwickeln", "Power geben", "Empowerment erhöhen", "Kompetenzen optimieren", "Zukunftschancen bieten" ... und bunter malen.

Wie schafft man nun so einen gewaltigen Kraftakt? Ganz einfach: man greift auf die vorher so verdammte Vergangenheit zurück und bemüht zum Beispiel den indischen Religionsstifter Siddhartha Gautama (auch bekannt als Buddha): "Wir sind was wir denken. Erfolg beginnt im Kopf."

Nun, vielleicht können zum Beispiel die über 3 Millionen Arbeitsuchenden in Deutschland nur nicht richtig denken, oder sie haben den falschen Kopf.

Deshalb braucht es geeignete "Kopf-gerade-Rücker". Und diese dienen sich derzeit zuhauf etablierten Bildungsträgern an. Es sind nicht die qualifizierten Dozenten mit einem einschlägigem Studium und/oder mehrjähriger Praxis in ihrem Fachgebiet. Es sind gelernte Referenten für Gesundheitstourismus, Qi Gong Therapeuten, Heiler oder auch nur ehemals Mitglieder von staatlichen Kommissionen die jedoch eines gemeinsam haben. Sie sind Master. Master-Trainer, Master-Coach, Master of Business Training, Master of the Universe.

Mit dem "Master-XY" hat man scheinbar heute die Lizenz jedweden Unsinn von sich geben zu dürfen. Was nicht so dramatisch wäre, würden nicht ganze Unternehmen, Hochschulen und Träger von Bildung darauf reinfallen. Und damit ihre Studierenden und Teilnehmer einer Ideologie und Methoden aussetzen, die mehr als fragwürdig sind.

Nun ist der Begriff "Master" nicht geschützt und wenn es gefällt, kann man sich gerne auch Master-Sleeper oder Master-Blaster nennen. Für diejenigen, welche aber derzeit zum Angriff auf etablierte Bildungsträger blasen, ist der "Master" ein Titel, der nach erfolgreicher Ausbildung dem "Practitioner" folgt und an deren Ende der "Lehrcoach" steht. Es ist ein Titel aus der Ausbildungsstruktur der Neurolinguistischen Programmierung (NLP) nach den Richtlinien des DVNLP.

Wie verzweifelt muss die derzeitige Bildungslandschaft sein, wenn man auf Methoden von Bandler &. Grinder zurückgreift, wenn das VAKOG-Modell in Curricula und Teilnehmerauswahl einfließt, wenn "Intervention" in Form von "Beobachtung, Maching/Pacing, Kalibrierung, Rapport und Leading" zu Lehr- und Lernformen postuliert werden? Und das alles unter dem Deckmantel von Lernen 4.0.

Ich wäre für eine neue, erweiterte Ausschlusserklärung in den Dozentenverträgen.

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p.s. Oh, nicht das jemand denkt: "Der schreibt von Dingen, von denen er keine Ahnung hat". Ich hatte Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts das Vergnügen, Ausbildungsteile zum NLP-Practitioner zu genießen und habe mir über zwei Jahre mit einer NLP-Master die Wohnung geteilt.

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